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Indien – Land der extremen Gegensätze (Februar 2007)

Unser zweiter Reiseabschnitt (nach Spiti, Ladakh und Kashmir) durch Indien bedeutet einerseits 6500 sehr nervenraubende Kilometer über teilweise abenteuerliche Landstraßen - andererseits aber auch die Begegnung mit einer unbeschreiblichen Vielzahl von Lebensstilen der über 300 indischen Völker mit ihrem Gewirr von 18 offiziellen Landessprachen, den einzigartigen historischen Kulturstätten, Tempeln, Festungen, Palästen sowie einer faszinierenden Natur, wie sie gegensätzlicher nicht sein kann. Die Berge des Himalaja im Norden, die Wüstenregionen, die Strände der West- und Ostküste, die Dschungelregionen und endlosen Kulturlandschaften machen das Reisen in Indien sehr abwechslungsreich.

 

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Bild: Gokarna Bild: Reisfelder
   
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Bild: Teeplantagen in Darjeeling Bild: Am Himalaja
   
Bild: Dschungel Bild: Durch die Wüste
   

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Schon auf unserer ersten Reise im Jahr 2002 hat uns Indien in seinen Bann gezogen. So liegt es nahe, dieses riesige Land während unserer „Winter-Zwangspause“ zu erkunden, bevor es weiter nach China geht. Außerdem hat auch die alte Seidenstraße mit ihren Nebenwegen an vielen Stellen kulturelle Spuren hinterlassen. Wie wir es schon in Pakistan erlebten, bauen die Chinesen mit Hochdruck die alten Gebirgspässe wieder zu neuen Handelswegen aus. Leider ist diese Route von Sikkim nach Tibet für ausländische Touristen gesperrt und es bleibt uns, wie schon im Jahr 2002, nur der Weg über Nepal, um die hohen Berge des Himalaja zu queren.



Bild: Neuer Handel an der Seidenstraße

Unser erster Eindruck ist, dass in Indien nach unserem letzten Besuch die „gefühlte“ Bevölkerungsdichte deutlich zugenommen hat. Der Sprung von 1,0 auf 1,1 Milliarden Einwohner wirkt umso mehr, als die Mobilität mit zunehmendem Wohlstand in einzelnen Bundesstaaten deutlich gestiegen ist. Ob wir durch einen „reichen“ oder „armen“ Bundesstaat fahren, ist sofort an der Verkehrsstruktur zu erkennen. Wer es sich leisten kann, steigt vom Fahrrad auf ein Motorrad und später auf ein eigenes Auto um. Kein Wunder – Indien erlebt derzeit einen rasanten Wandel von der genügsamen Selbstversorger –Mentalität zu einer immer stärker westlich orientierten, konsumbesessenen Gesellschaft. Doch die schöne Glitzerwelt Bollywoods lässt sich nur für einen kleinen Teil der Inder realisieren. Trotz boomender „Cyber-Großstädte“ sind in großen Landesteilen Probleme wie Analphabetentum, desolate Infrastruktur, Überbevölkerung, schmutziges Trinkwasser und der allgegenwärtige Müll und Dreck bis heute nicht gelöst. Auf der anderen Seite die Bilder des „ewigen Indiens“: Frauen in den bunten traditionellen Saris sowie die geschäftigen, quirligen Bazare.


Bild: Anjuna Markt


Bild: Modernes Indien

In Indien steht das spirituell geprägte Alltagsleben in krassem Gegensatz zu unserem eher weltlich orientierten Lebensstil. Bei der hinduistischen Bevölkerungsmehrheit existiert auch heute noch das Kastensystem, die arrangierten Hochzeiten, der tiefe Glaube an das vorbestimmte persönliche Schicksal sowie der Glaube an die permanente Wiedergeburt (Reinkarnation). Hatten wir doch in den zentralasiatischen Ländern so oft die wahnsinnige Herzlichkeit und Gastfreundschaft der Menschen erlebt, so sind wir in Indien diesbezüglich ein wenig enttäuscht, denn die Herzlichkeit lässt sich bei Indern erst auf den zweiten Blick erkennen. Um uns „wirtschaftlich“ einzuordnen, ist ihre erste Frage meist, was das Auto kostet und was wir in Deutschland verdienen. Ernsthaftes Interesse gibt es nur an unseren materiellen Sachen und selten an unserer Person und die Massenbelagerung beim Campen kennen wir ja schon von der letzten Reise. Lernt man die Inder aber über einen längeren Zeitraum kennen, dann verlässt man sie fast immer als Freund.


Bild: Pilger
Bild: Sadu mobil  
   
Bild: Bad im Ganges (Varanasi) Bild: Auf Tuchfühlung

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Die größte Herausforderung ist für uns ist der chaotische Autoverkehr. „HORN PLEASE“ – das steht in großen Lettern am Heck eines jeden LKWs und wer in Indien über Land unterwegs ist, der sollte eines beherzigen: Die Hupe ist genauso wichtig wie das Gaspedal und ist die Hupe kaputt, dann ist das Auto kaputt. Rückspiegel sind bei dieser akustischen Kommunikation absolut überflüssig und bei den meisten indischen Autos auch nicht vorhanden. Das „Kastensystem“ der indischen Straße besagt, dass Busse und LKWs alle Rechte haben und bei gefährlichen Überholmanövern werden kleinere Fahrzeuge regelrecht von der Straße gedrängt. Der permanente Slalom um die heiligen Kühe auf den Straßen oder der durch sie verursachte Verkehrsstau wird mit einer bewundernswerten Gelassenheit hingenommen. Als wir dann endlich auf einem der wenigen offiziellen Highways fahren, haben wir die leise Hoffung, dass es dort etwas geordneter vonstatten geht. Weit gefehlt: Ist der Mittelstreifen nicht bepflanzt, dann wird dort Wäsche getrocknet oder den vorbeifahrenden Fahrzeugen werden Lebensmittel angeboten. Korn wird auf der Straße gedroschen, indem Autofahrer über die Halme fahren, Geisterfahrer sowie alle denkbaren Tiere sind auch etwas ganz Normales auf dem indischen Highway. Geht dem Bundesstaat das Geld zur Finanzierung des Straßenbaus aus, dann endet der Highway ohne Vorwarnung auf dem Acker. Bremsspuren weisen auf die vielen Autofahrer hin, die damit nun gar nicht gerechnet haben. Wir stellen uns manchmal vor, was der deutsche Verkehrsfunk zu tun hätte, um das alles zu melden. Es ist immer wieder ein Abenteuer auf den Straßen Indiens unterwegs zu sein – und dann noch mit dem Lenkrad auf der linken Seite. Fahrer und Beifahrer können nur in Teamwork überholen. Wir sind jedenfalls sehr froh, das indische Verkehrschaos nach etlichen Beinahezusammenstößen unfallfrei überstanden zu haben.

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Bild: Unfälle überall Bild: Ende des Highways
   
   
Bild: Highway Bazar Bild: Heilige Kühe

 

In Indien gibt es neben den unzähligen hinduistischen Tempeln auch buddhistische und Jaintempel, christliche Kirchen und Moscheen, was bis in die heutige Zeit ein nicht immer friedliches Nebeneinander der Religionen zur Folge hat. Ganz anders in Ellora, wo Generationen von Mönchen (Buddhisten, Hindu und Jain) über fünf Jahrhunderte (600 – 1000 n. Chr.) ihre Tempelhöhlen friedlich nebeneinander und ohne gegenseitige Verdrängungszwänge geschaffen haben. Wir sind besonders von dem Kailash-Tempel, der weltgrößten Monolithenskulptur, fasziniert, die den heiligen Berg Kailash in Tibet repräsentiert. Dieser Monolith wurde aus einem(!) einzigen Felsblock geschlagen, indem 200.000 Tonnen Fels abgetragen wurden.

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Bild: Kailash-Tempel in Ellora Bild: Sonnentempel bei Konark (Ostküste)
   
   
Bild: Hampi Bild: Tempelverziehrungen in Khajuraho

 

Auf unserem Weg liegen aber auch sehr viele Burgen und Festungen, die als Regierungssitz oder zum Schutz der Handelsrouten errichtet wurden. Besonders interessiert uns die Festungsanlage von Mandu mitten in Zentralindien, von wo der afghanische(!) Herrscher Dilawar Khan und seine Nachfolger ab dem 15. Jhdt. ihr Königreich regierten. Auf einer Bergkette liegen gut erhaltene imposante Bauwerke wie eine Moschee, die königliche Enklave, diverse Tiefbrunnen und riesige Wasserspeicherseen, die von einer monumentalen Stadtmauer umgeben sind.


Bild: Mandu

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Überall in Indien stoßen wir auf Hinterlassenschaften der englischen Kolonialzeit. Noch heute genutzte Infrastrukturen, wie Bahnlinien, Wasserkanäle, Verwaltungsbauten und die sogenannten Hillstationen (Kurorte auf den kühleren Bergen) strahlen trotz der typisch indischen Verwahrlosung immer noch einen „britischen Flair“ aus. Eine der wohl unangenehmsten Hinterlassenschaft der Engländer ist zweifellos die schwerfällige Bürokratie, die von den Indern bis in eine chaotische Perfektion „verfeinert“ wurde und uns beim Reisen mit dem eigenen Auto fast zum Wahnsinn treibt. So erleben wir, das eine Grenzüberquerung zwischen Pakistan und Indien wesentlich einfacher ist, als die Einfahrgenehmigung in die Randzone eines Nationalparks zu bekommen. Endlose Listen und Eintragungen unserer persönlichen Daten in diverse Bücher erfordern Nerven wie Drahtseile. Zur Belohnung dürfen wir dann die 25-fach höheren Eintrittsgebühren wie die Inder bezahlen. Überhaupt sind im letzten Herbst die Nationalparkgebühren derart erhöht worden, dass ein Besuch sehr gut überlegt sein will. Die nepalischen Parks sind hier vielleicht eine bessere Alternative.


Bild: Indischer Bürokrat

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Es ist für uns Ehrensache, auch den Endpunkt der sogenannten „Grand Trunk Road“ in Kalkutta zu besuchen. Diese alte Nebenroute der Seidenstraße beginnt in Kabul und führt seit dem 16 Jahrhundert über 2600 Kilometer durch Pakistan, Amritsar, Delhi und die Gangesebene. Wir empfinden Kalkutta als eine sehr angenehme Stadt, die zu Unrecht einen so schlechten Ruft hat. Ein Besuch im Missionshaus von Mutter Theresa hat uns sehr bewegt. Ihr Lebenswerk für die Ärmsten der Armen hat weltweit nachhaltige Spuren hinterlassen.


Bild: Kalkutta


Bild: Victoria Memorial

Bevor wir nach Nepal einreisen, fahren wir über Darjeeling nach Sikkim, wo wir das tibetische Neujahrsfest feiern und im Kloster Rumtek die einzigartigen Maskentänze sehen.


Bild: Maskentänze

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Film: Chaamtanz im Kloster Rumtek

 

Einen Vorgeschmack auf den nächsten (wahrscheinlich etwas kälteren) Reiseabschnitt Richtung Tibet erleben wir auf dem legendären Tiger Hill bei Darjeeling. Kälte und Schneesturm überraschen uns über Nacht und wir stecken für zwei Tage fest. Wir werden aber am dritten Tag mit einem wunderschönen Sonnenmorgen und einer grandiosen Fernsicht auf die Berge des Himalaja voll entschädigt.


Bild: Tiger Hill

Mit diesem Abschiedsgeschenk verlassen wir schweren Herzens Indien. Es wird bestimmt noch einige Zeit dauern, bis wir die vielen Eindrücke verarbeiten haben. Und mit Sicherheit wird uns die vielfältige und gewürzreiche indische Küche fehlen.


Bild: Thali

Indien – ein Land der extremen Gegensätze, mit dem auch wir uns immer wieder auseinandersetzen mussten, von dem man fasziniert ist und das man immer wieder besucht oder das man einmal und nie wieder bereist. Wir sind da eher Wiederholungstäter, wissen aber auch, dass man in Indien viel Zeit und Geduld braucht.

Über die Ostgrenze reisen wir nach Nepal ein und fahren an etlichen ausgebrannten Bussen, LKWs und anderen Fahrzeugen vorbei, die von den mehrwöchigen Unruhen der letzten Zeit zeugen. Der Friedensprozess in Nepal scheint doch nicht so einfach zu sein, wie anfangs vermutet. Immer wieder kommt es im Terai, dem nepalesische Tiefland, zu teilweise blutigen Unruhen, Streiks, Straßen- und Versorgungsblockaden. Wir füllen unsere Tanks bis zum Rand, um der Dieselknappheit zu entgehen und durchqueren die Krisenregion mit viel Glück in den wenigen friedlichen Tagen, bevor die Blockaden wieder von Neuem beginnen. In Kathmandu angekommen, werden die aufgeschobenen diversen Schweiß- und Wartungsarbeiten am Auto erledigt.


Bild: Unruhen im Terai


Bild: Schweißarbeiten

Für die großen Höhen in Tibet wollen wir uns während einer mehrwöchigen Trekkingtour in den Bergen des Langtang Nationalparks akklimatisieren, um nicht höhenkrank zu werden. Sobald die Pässe in Tibet öffnen, werden wir in Richtung Lhasa aufbrechen.

 

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