Grenzenlose Mongolei (Mai / Juni 2007)

Mit dem Reiseziel Mongolei hat man meist Assoziationen wie Dschingis Khan, Wüsten, Steppen, Jurten, wilde Pferde und Kamele im Kopf. Was wir erleben, ist noch vielmehr. Die endlos menschenleeren Weiten, das Altai-Gebirge, tibetischer Buddhismus und Klöster, Canyons, Wüsten- und Bergseen, hohe Dünen, Dinosaurierfunde und eine weltbewegende Geschichte.

Bild: Saftiges Grasland Bild: Hün Chuluu
   
Bild: Kamelzüchter Bild: Dschingis Khan

Von Xi’an (China) führt uns der Weg Richtung Norden durch die autonome Provinz der Inneren Mongolei bis zur chinesisch-mongolischen Grenze. Am Rande unserer Route besuchen wir den erst kürzlich erbauten riesigen Komplex eines Mausoleums für Dschingis Khan, was vom neuen Geschichtsbewusstsein der Chinesen zeugt. Schließlich dominierten und prägten die mongolischen Dynastien das gesamte 13. Jahrhundert auch auf dem Gebiet des heutigen Chinas. Selbst Peking (damals Tatu) hat seine erstmalige Hauptstadtfunktion den Mongolen unter Khubilai Khan (ein Sohn Dschingis Khans) zu verdanken.
Auch wenn die ehemaligen Handelswege der Seidenstraße nicht durch das Gebiet der heutige Mongolei führten, so trug die Mongolei durch die sogenannte „Pax Mongolica“ entscheidend zur zweiten Blütezeit der Seidenstraße bei. Die Pax Mongolica (Friede der Mongolei), die „erste Freihandelszone“ der Welt, erlaubte es im 13. Jahrhundert mit relativer Sicherheit von der Krim bis nach Korea zu reisen. Damit brach ein neues Zeitalter mit einem einheitlichen Steuer- bzw. Zollsystem an und belebte die Karawanenwege der Seidenstraße. Der freie Verkehr zwischen den damaligen Zivilisationen hatte zur Folge, dass ein kulturell, technisch und kommerziell beachtlicher Austausch stattfand.
Die Mongolen machten keinen Unterschied zwischen den Religionen in ihrem Weltreich und waren Andersgläubigen gegenüber sehr tolerant und respektvoll, obwohl Khubilai Khan selbst den (friedlichen !) tibetischen Buddhismus zur Staatsreligion erklärte. Ein deutliches Zeichen nach den schrecklichen Eroberungsfeldzügen seines Vaters Dschingis Khan, die 30 Prozent der Bevölkerung in Persien, Zentralasien und China auslöschten.
Die Nähe zum tibetischen Buddhismus wird uns an vielen Stellen in der Mongolei bewusst, als wir verschiedene Klöster besuchen. Nebenbei sei an dieser Stelle erwähnt, dass der Titel „Dalai Lama“ an die geistigen Oberhäupter der Tibeter von den Mongolen verliehen wurde und die Mongolen auch überwiegend den Bau des Potala Palastes (Winterpalast des Dalai Lama) in Lhasa finanziert haben.


Bild: Tibetischer Buddhismus


Bild: Ovoo

Der Grenzübertritt in die Mongolei bei Ehrenhot gestaltet sich wieder mit den typisch chinesischen Schwierigkeiten. Man will uns nicht aus dem Land lassen, weil wir auf der mongolischen Seite nicht explizit angemeldet sind und uns dort auch kein Guide erwartet. Das man in anderen Ländern frei reisen kann, wenn man ein gültiges Visum besitzt, scheint für die Chinesen schwer vorstellbar zu sein. Nach einigen Stunden zäher Verhandlungen im Grenzhauptquartier lässt man uns endlich ausreisen. Entgegen aller internationaler Geflogenheiten enthalten unsere Pässe weder ein chinesisches Visum, noch Ein- oder Ausreisestempel, was uns auf der mongolischen Seite wiederum in zeitraubende Erklärungsnöte über unsere Herkunft bringt. Die Kopie eines chinesischen Gruppenvisums auf einem separaten, einfachen Blatt Papier hat man dort anscheinend noch nie gesehen.
Alle Grenzhürden sind nach 8 Stunden erfolgreich genommen. Doch auf der mongolischen Seite erwartet uns eine Überraschung der besonderen Art. Die im Straßenatlas eingezeichnete Hauptroute durch die östliche Gobi-Wüste nach Ulaan Bataar entpuppt sich als Labyrinth von Feldwegen der übelsten Sorte. Wir können es nach den tadellosen Straßen in China kaum glauben und fragen mehrere Mongolen, ob es nicht doch irgendwo wenigstens eine breitere Sandpiste geben würde, was man aber verneint. Wir sollen uns grob an den Telegrafenmasten orientieren. Zum Glück haben wir ein Satelliten- Navigationssystem (GPS) im Auto, was die Sache etwas einfacher macht. Während der ersten drei Tage und 600 Kilometern bis kurz vor Ulaan Bataar treffen wir unterwegs auf ganze 4 Fahrzeuge und wir müssen uns nach Indien, Nepal und China an diese „neue Einsamkeit“ erst einmal gewöhnen.


Bild: Telegrafenslalom

In Ulaan Bataar angekommen, kümmern wir uns mit Unterstützung unseres Freundes Itgel zunächst um die Visaverlängerung, die notwendige polizeiliche Registrierung und die Wartung unseres Toyotas. Auf einer Erkundungstour durch die Stadt hat uns die große Verbreitung des tibetischen Buddhismus im Alltag der Mongolen sehr überrascht. In den Klosteranlagen kamen wir uns vor, wie bei unserem kürzlichen Besuch in Tibet.
Unsere mongolischen Gasteltern Tungaa und Bataa gestalten unsere Wartezeit besonders angenehm. An das leckere mongolischen Nationalgericht „Schaf in der Milchkanne“, das mit heißen Flusssteinen zubereitet wird, werden wir noch lange denken.


Bild: Begrüßung durch Bataar


Bild: Schaf in der Milchkanne

Bevor wir wieder in Richtung Süden in die Gobi Wüste fahren, statten wir Karakorum einen Besuch ab. Von den prunkvollen Bauwerken dieser ehemalige Hauptstadt des mongolischen Weltreiches ist mit Ausnahme einer alten lamaistischen Klosteranlage kaum noch etwas zu sehen und nur wenige Teile wurden bisher ausgegraben. Neben den festen Palastbauten wurden von mongolischen Adligen sogenannte Wanderjurten auf Wagen mit Ochsengespannen genutzt, um in mobilen Regierungssitzen über das Land zu reisen. Für uns bleibt es dennoch ein Rätsel, wie man es in einem so menschenleeren, riesigen Land schaffte, eine derartig schlagkräftige Armee zu rekrutieren, um dieses riesige Weltreich von Europa bis Korea für ein Jahrhundert zu bilden und zu regieren.


Bild: Karakorum


Bild: Wanderjurte

Zurück in der Gobi überrascht uns die Vielfalt der Wüstenlandschaften. Gebirgszüge und Canyons wechseln sich mit Stein- und Sandwüsten ab. Harte 4000 Kilometer über holprige Pisten oder ganz abseits aller Wege führen uns zu wirklich einzigartigen Plätzen. Dabei erleben wir manchmal an einem Tag alle denkbaren Wetterformen. Innerhalb von Stunden springen die Temperaturen von +4°C auf über 30°C und umgekehrt. Schönstes Wetter verändert sich rasend schnell in Sand- oder Schneestürme. Dann hilft nur, möglichst schnell ein windgeschütztes Camp zu suchen. Zum Glück sind wir nicht im Hochsommer unterwegs, wo am Rand des Altai-Gebirges mit intensiven Regenfällen zu rechnen ist, was die Wege oft im Schlamm versinken lässt.

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Bild: Schutz im Canyon

Bild: Erbarmungslose Gobi

Bild: Wüstenseen

Bild: Blühende Gobi

In den wenigen Ortschaften und Versorgungspunkten ist es äußerst wichtig, bei jeder Gelegenheit voll zu tanken und die Wasservorräte aufzufüllen. In kleineren Geschäften kann man neben den notwendigsten Lebensmitteln alle möglichen Dinge bis hin zu Motorrädern kaufen. In den größeren Ortschaften können wir auch unsere durch Dornen und spitze Steine sehr strapazierten Reifen reparieren lassen.

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Bild: Harte Wasserversorgung Bild: Tankstelle
   
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Bild: Wüstenshop 1 Bild: Wüstenshop 2

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Uns wundert es immer wieder, wie waghalsig einige Mongolen mit ihren normalen (Straßen-) Autos und Mopeds in diesem Gelände unterwegs sind. Ernsthafte Pannen am Fahrwerk sowie Reifenschäden sind vorprogrammiert und an dem nötigen Werkzeug bzw. an Ersatzteilen fehlt es dann natürlich meistens, so dass wir einige Male den hoffnungslos Gestrandeten mitten in der Wüste weiterhelfen.


Bild: Notreparatur

Als Highlight unserer Gobidurchquerung sind die wirklich sehr beindruckenden Dinosaurierfundstätten bei Bayan Zag zu nennen. Durch den Film „Jurassic Park“ von S. Spielberg und das folgende Interesse an Dinosauriern, ist die Mongolei diesbezüglich wieder mehr ins Gedächtnis der Menschen gekommen. Tausende versteinerter Dino-Knochen und sogar ein Dino-Ei liegen nur wenige Schritte neben unserem Camp.


Bild: Dino-Ei


Bild: Dino-Knochen überall

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Von dort queren wir die sogenannte Eisschlucht Yolyn Am (Geierschlucht) in einem schroffen Gebirge, das sich mitten in der Gobiwüste auftut. In dieses Schlucht liegt ganzjährig eine viele Meter dicke Eisschicht. Ganz in der Nähe sind auch sehr interessante prähistorische Felszeichnungen zu finden.


Bild: Eisschlucht


Bild: Felszeichnungen

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Weiter geht es entlang der zweihundert Kilometer langen und bis zu 300 Meter hohen Sanddüne Hongoryn Els. Zwei Tage hat es gedauert, um die einzige Überquerung dieses Dünenfeldes in Richtung Westen zu finden. Der erste Versuch scheitert im Sandsturm.


Bild: Sandige Hauptstraße

Die Bewohner der Gobi-Wüste sind uns gegenüber sehr freundlich, wenn auch etwas scheu und viele Regionen hatten (noch) keinen Kontakt zum Tourismus westlicher Prägung. Im Frühjahr laden diese Halbnomaden ihr gesamtes Hab und Gut auf LKWs oder Minibusse, um ergiebige Weideflächen für ihre Viehherden aufzusuchen. Der Aufbau eine Jurte (mongolisch: Ger) dauert gerade mal eine Stunde. Bei allem Traditionsbewusstsein geht der Fortschritt aber nicht an den Bewohnern der Gobi vorbei und viele Jurten haben Satelliten Fernsehen und eine Solaranlage für die Stromerzeugung.


Bild: Familienumzug


Bild: Neues Camp


Bild: Jurte online

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Eine Begegnung der besonderen Art haben wir in der Mongolei mit den Teilnehmern der Oldtimer Rallye von Peking nach Paris auf der gleichen Route, wie sie 1907 gefahren wurde. Von den 160 Fahrzeugen sind über 50 in der Gobi-Wüste zusammengebrochen. Die Teilnehmer sind sichtlich von den Strapazen der Gobi gezeichnet und wir helfen technisch, wo wir nur können. Zum Dank werden wir in das Nachtcamp eingeladen und erleben echtes Rallyeflair mit einer Mischung aus Erschöpfung, nächtelangen Notreparaturen aber auch exquisiter Verpflegung in den Zelten des Küchenteams.


Bild: Peking-Paris

Zum Abschluss unserer Mongolei Durchquerung verbringen wir einige Tage im Altai-Gebirge. Leider ist es etwas schwierig, von der Polizei eine Sondergenehmigung für den sehr schönen Altai Tavan Bogd Nationalpark in der Grenzregion zu China und Russland zu bekommen. Für die zweitägigen Mühen werden wir aber voll entschädigt. Grüne Wiesen, viel Wasser und schneebedeckte Berge sind für unsere Augen wie Balsam nach dem vielen Sand und Staub der letzen Wochen. Hier leben überwiegend Kasachen, die uns sehr freundlichen aufnehmen und uns förmlich mit gegorener Stutenmilch (Airag) und selbst gemachten Käse „überschütten“. Voller Stolz zeigen sie uns auch ihre Adler, die einer viele hundert Jahre folgenden Tradition im Winter zur Jagd von Füchsen und Hasen eingesetzt werden.


Bild: Mongolisches Altai


Bild: Jagdadler


Bild: Gastfreundschaft

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Wir verlassen die Mongolei mit sehr vielen neuen und sehr positiven Eindrücken. Die Menschen, die Landschaften und die Möglichkeiten wirklich frei und ungestört in diesem riesigen Land zu reisen haben uns begeistert. Man ist allerdings permanent einer rauen, unnachgiebigen Natur ausgesetzt, die unzählige Schönheiten aber auch Gefahren in sich birgt.


Bild: Richtung Sibirien

 

Eine aktuelle Information ueber die Tatigkeit
der Kinderhilfe Afghanistan finden sie hier.

 

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